Blick aus der Zukunft

Wir schreiben das Jahr 2030.

Berlin erzeugt sein eigenes Essen, versorgt sich selbst mit Energie, kann nahezu alles vor Ort reparieren.

Alles begann auf dem Tempelhofer Flughafen …

Rückblick

Es war das Jahr 2021.

In Deutschland führte die globale Erwärmung längst zu Dürre, unberechenbarem Wetter und Missernten, dazu kamen Insektensterben und Bodenverarmung. Es wurde klar, dass unser Lebensstil das Zusammenleben auf dem gesamten Planeten bedrohte. Schon zwei Jahre zuvor hatte die Zivilbevölkerung in Berlin die Klimanotlage ausgerufen. Die Corona-Krise brachte den Stein endgültig ins Rollen. In kürzester Zeit veränderte sich die Gesellschaft:
– Nachhaltigkeit und Resilienz wurden zu Grundsätzen des Handelns.
– Die neue Politik richtete sich verstärkt auf autarke Versorgung aus: Energie und Güter wurden nun bevorzugt regional hergestellt und Lebensmittel so nah wie möglich angebaut.
– Die entschleunigte und ressourcenschonende Gesellschaft begann die Kunst des Reparierens wieder zu schätzen.
– Das Bedürfnis von Berliner Bürger:innen, dies zu lernen, wuchs. Sie verlangten nach Angeboten in unmittelbarer Nähe – ohne Barrieren und teure Kurse. Die Kompetenzen der Menschen waren gefragt, um Wege zur Nachhaltigkeit mit zu entwickeln. Praxis, Diskurs, Forschung und Bildung wurden eng verzahnt.
– Das Ziel war eine stabile und gerechte Transformation, die von der ganzen Stadt getragen wird. So wurden Partizipationsprozesse entwickelt, die alle gesellschaftlichen Gruppen einbezogen.

Schnell wurde klar, dass das Tempelhofer Feld mit seinem Gebäude in städtischer Hand – als Gemeingut – eine einzigartige Chance bot.

Hier sollte ein Zentrum entstehen, an dem die neuen Bedürfnisse tatkräftig umgesetzt werden konnten. Eine Partizipationsstruktur war schon vorhanden, sie musste nur deutlich gestärkt werden. So fand der erste Klima-Bürger:innenrat im Flughafengebäude statt. Er wurde zum Vorbild für eine Bürger:innendemokratie, die seitdem zusammen mit den Berliner Abgeordneten das politische Handeln gestaltet.

Das Naturschutzgebiet blieb unangetastet, die Menschen konnten das Feld weiter für Freizeit, Sport und Kultur nutzen. Die durch Krieg und vorherige Nutzung verseuchten Böden wurden (und werden immer noch) bereinigt. Da, wo ehemals Bebauung diskutiert worden war, wuchs eine Waldgartenlandschaft, die die Stadt kühlt und die Nachbarschaft mit Essbarem versorgt. Tausende Menschen haben hier bereits den ökologischen Gemüseanbau erlernen können.

Alles, was danach auf dem Feld und im Gebäude entstand, folgt dem Gemeinwohlgedanken, der nun im gesamten Wirtschaftsgeschehen der Region die Hauptrolle spielt und die Bundespolitik maßgeblich beeinflusst.

Schnell wuchs das Netzwerk, das von Bildungsinstituten unterstützt wurde. Bald wurden erste zertifizierte Kurse und Seminare angeboten – gefördert durch die öffentliche Hand, aber auch durch gemeinwohlorientierte Stiftungen und Vereine.
Das Engagement der Zivilgesellschaft und die Arbeit der Bezirke, des Senats und seiner Behörden griffen ineinander. Hochschulen, Institutionen und Bildungseinrichtungen förderten und entwickelten weitere Angebote. Durch eine Welle der Kooperation enstand in Rekordzeit auf dem Areal des ehemaligen Flughafens Tempelhof ein Transformationszentrum für alle.

Bald boten auch die Arbeitsagenturen im Transformationszentrum Schulungen und Weiterbildungen an.

Viele Menschen, die dort ausgebildet wurden, trugen ihr Wissen und ihre Erfahrungen in andere Regionen von Deutschland und Europa. Heute, 2030, gibt es nicht nur das Zentrum auf dem ehemaligen Flughafengelände in Berlin. Es gibt viele andere Orte, die ihre Umgebung mit Know-how, reparierten Gegenständen und bestem Gemüse versorgen.

Inzwischen wurden knapp 5.000 Menschen in einer der meist 18 Monate andauernden kostenlosen Schulungen ausgebildet. Tausende mehr haben an weiteren Formaten, wie zum Beispiel Kulturveranstaltungen, teilgenommen und mitgeplant, geforscht und diskutiert. Weil das Wissen, das hier generiert, die Verfahren, die hier entwickelt wurden, online und frei zugänglich sind, haben Interessierte auf der ganzen Welt die Möglichkeit, darauf zuzugreifen.

Im Flughafengebäude ist ein Ernährungs-Campus eingerichtet worden, ein Ort, an dem für die Ernährungswende lustvoll geforscht, gekocht, gegessen und ausgebildet wird. Er entwickelte sich schnell zu einem wichtigen logistischen Standort zur Skalierung der Solidarischen Landwirtschaft.

Viele Betriebe interessieren sich für neue und wiederentdeckte Techniken und Methoden des nachhaltigen Landbaus.

Immerhin werden händeringend Arbeitskräfte in diesem Bereich gesucht: Durch die Agrarwende wird kleinteilige, weitgehend pflanzenbasierte Öko-Landwirtschaft gefördert. Viel mehr Menschen können sich inzwischen vorstellen, in der Garten- und Landwirtschaft zu arbeiten. Die Löhne sind gestiegen, es gibt geregelte Arbeitszeiten. Wer in der Landwirtschaft arbeitet, genießt ein hohes Ansehen, schließlich ist sie oder er systemrelevant. Fest steht: Berlin wird sich bis 2035 weitestgehend mit regional angebauten Lebensmitteln versorgen können.

Auch die Energieversorgung hat einen großen Sprung getan: Erneuerbare Energien werden immer häufiger dezentral und genossenschaftlich erzeugt. Das liegt sicher auch daran, dass es in der Region seit der Entstehung des Transformationszentrums viel mehr kompetente Konstrukteur:innen gibt.

Ebenso zukunftsfähig sieht es in der Reparaturwirtschaft aus: Mittlerweile sind in jedem Kiez DIY- & Reparaturläden angesiedelt, die fast jedes Gerät wieder zum Laufen bringen. Zusammen mit den städtischen Abfallunternehmen wurde das Up- & Recycling verschiedenster Materialien erprobt und verstetigt. Restaurierte Möbel erfreuen sich enormer Beliebtheit. Recycling-Schneidereien florieren in jedem Kiez.

Die Architektur- und Baubranche wandelt sich ebenfalls enorm. Viele Häuser können bereits jetzt mit Hilfe von weitergebildeten Installateur:innen Brauchwasser zum Gärtnern wie zur Toilettenspülung nutzen. Die Bautechnik arbeitet mittlerweile fast nur noch mit regenerativen oder wiederverwertbaren Materialien. Auch das wird hier gelehrt.

In der Nähe des Transformationszentrums für alle wurde außerdem eine Beratungsstelle eingerichtet, die Unternehmen beim Übergang zur Gemeinwohlökonomie unterstützt und Menschen dabei hilft, sich selbst zu organisieren. Auch Betriebsgründungen werden hier begleitet und gefördert. Die beliebteste Unternehmensform ist die Genossenschaft.

Eine vielfältige Kunstszene macht den Wandel auf ihre Weise sichtbar – Kultur ist ein wichtiger Bestandteil des neuen Herzens von Berlin.

So, wie es in der Hauptstadt seit jeher war – endlich gibt es wieder einen Raum, an dem sich diese Szene auch entfalten und blühen kann. Ihre Kurse und Veranstaltungen helfen uns, die Bilder und Worte zu finden, um mit der ökologischen Krise und den vielen Umbrüchen unserer Zeit umzugehen.

Nach dem Start in Berlin sind nun viele andere Städte und Gemeinden dabei, ähnliche Reallabore und Bildungsstätten für Nachhaltigkeit aufzubauen. Die Finanzierung wird vorwiegend von den jeweiligen Landesregierungen, vom Bund und von der EU getragen. Kein Wunder, denn es ist eine greifbare Chance, zum Beispiel den Menschen, die nach ihrer Tätigkeit in der fossilen Wirtschaft arbeitslos geworden sind, schnell, praktisch und fundiert neue ökologisch sinnvolle Kompetenzen mitzugeben und sie somit in gesicherte Arbeitsbereiche zu vermitteln.

Blitzlichter eines beeindruckenden Wandels, den wir erleben wollen

Dieser kleine Ausflug ins Jahr 2030 zeigt: So kann es aussehen, wenn wir jetzt handeln. Damit die Vision Wirklichkeit wird, ist es wichtig, dass wir uns vernetzen, die Umsetzung durchdenken und zahlreiche Menschen überzeugen: in der Zivilgesellschaft genauso wie in Politik und Wirtschaft.